«Meine Bilder sind mehr Gemälde als Fotografien»

Nach einem Austausch mit Frédéric Laban

Unter Architekturfotografie versteht man im Allgemeinen eine Fotografie, die sich auf Gebäude konzentriert. Sie kann sowohl Aussen- und Innenaufnahmen von Gebäuden als auch Brücken, andere Bauwerke und Stadtlandschaften umfassen. Wenn es um Gebäudefotografie geht, könnte der erste Instinkt darin bestehen, zu versuchen, mit Aussenaufnahmen des Gebäudes die Gesamtheit einzufangen. Aber, wer sich erst einmal davon befreit hat, eine Standardaufnahme des gesamten Gebäudes zu machen, hat die Freiheit kreativ zu sein. Im Austausch mit Frédéric Laban, Fotograf aus Marseille, haben wir erfahren wie er die Le Corbusier Gebäude in Frankreich mit seiner Kamera entdeckt und spannende Details eingefangen hat.


 

« Als humanistischer Fotograf, Reisender und Urbanist hatte ich schon immer den Wunsch, das Flüchtige zu kristallisieren, das Unwahrnehmbare zu enthüllen. Ich empfinde Poesie in ausgefallenen Atmosphären; ich mag die Überraschung unerwarteter Begegnungen; ich durchquere gerne den Spiegel und durchdringe Parallelwelten; wechselnde Räume, urbane Einöden, Zwischenwelten; wo ich mich in Resonanz befinde. » Dies sagt Frédéric Laban über sein Schaffen als Fotograf. Le Corbusier mass der Fotografie keinen tatsächlichen Wert zu, dennoch kaufte er sich innerhalb von 10 Jahren (1907-1917) drei Kameras und machte damit mehrere hundert Aufnahmen in guter Qualität. Man bedenke, dass erst Ende der 1930er die Farbfotografie für jedermann möglich war und Farbe für Le Corbusier ein essentieller Bestandteil seines Schaffens war. Sagte Le Corbusier nicht : «Die Farbe ist in der Architektur ein ebenso kräftiges Mittel wie der Grundriss und der Schnitt. Oder besser: die Polychromie, ein Bestandteil des Grundrisses und des Schnittes selbst.»

 

 

Frédéric Laban fotografierte zwischen 2014 und 2018 in Frankreichs vier Le Corbusier Wohneinheiten (Marseille, Briey, Rezé, Firminy). Dort durfte er jeweils im Künstlerhaus wohnen. Über seine Bilder aus diesen Jahren sagt Laban « Sie lassen sich in drei Serien einordnen, die einer Entwicklung meiner Arbeit entsprechen: Die Kreuzungen (Bewegungen, Vibrationen, Leckagen, Schwindel), die "Mondrians" (geometrische Abstraktionen, Komplementärfarben, farbige Pflastersteine), die "reinen Abstraktionen" (Eintritt in die Farbe, Verschmelzungen). Die Strassen der Wohneinheiten von Le Corbusier sind von diesen Welten... diese in Le Corbusier Farben und gedämpftes Licht getauchten Zwischenräume sind unerwartet, fast extravagant. Die Farbe wird in der Mitte der Betonbrücke entdeckt; Le Corbusier wird von innen gesehen! »

Im Ausstellungskatalog zu der Ausstellung ‘Vibrations Colorées, un regard décalé sur l'architecture du Corbusier’ in Firminy im Jahre 2018 ist zu lesen: « Frédéric Labans fotografische Serien zeigen die Emanzipation dieser Farbe von der Form, die in den vier Wohneinheiten des nationalen Territoriums sehr präsent ist. Das Wandern durch die Strassen der strahlenden Städte, kombiniert mit der Bewegung des Marsches, ruft flüchtige Eindrücke hervor, zu einer schwebenden, fast unwirklichen Zeit; unterbrochen von chromatischen Berührungen und Schattenpunkten aus Licht mit hellen und gesättigten Farben. Der Raum ist nichts anderes als Polychromie. »

 

 

Wer schon in der Cité Radieuse – die Unité in Marseille – war, weiss wie eindrücklich die Farben Le Corbusiers und das Farbkonzept eingesetzt wurde. Ob 32040 vert anglais, 32020 bleu outremer 31 oder 32080 orange – die Farben der Polychromie Architecturale sind stets stimmig eingesetzt. Frederic Laban beschreibt die Unité in Marseille von Le Corbusier und die Farben wie folgt: «Ich praktiziere seit 1974 in der strahlenden Stadt Marseille. Ich habe mich nach und nach imprägniert, ich würde sagen, aufgeladen mit unterschwelligen visuellen Empfindungen während meiner Überfahrten entlang der "Strassen" der Wohneinheit. Es sind diese flüchtigen Eindrücke, diese Sequenzen, diese Reize, die sich heute meinem fotografischen Ausdruck aufdrängen. Ich musste sensibel werden, um diese Wellen, diese "farbigen Schwingungen", die uns bei unseren Durchgängen in diesen Innenräumen begleiten, zu kristallisieren. Farbe und Licht sind das Herzstück des Betons!» Durch seine Bilder möchte Laban für diese Wellen, diese "farbigen Schwingungen", die sich die Beton-Linien begleiten, sensibel machen. Er will mehr evozieren als zeigen, seine Bilder sind daher mehr Gemälde als Fotos.

 

Fotografien

© Frédéric Laban - FLC/ADAGP, Fondation le Corbusier

www.fredericlaban.com / flaban|at|gmail.com

 

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